Die Marke im Raum.
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Das Gestalten von Räumen bietet gegenüber der klassischen medienvermittelten Kommunikation nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, die Identität einer Marke zu transportieren. Denn eine räumliche Markeninszenierung beinhaltet die Chance, alle fünf Sinne gleichzeitig anzusprechen: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten.
Wird diese Chance wahrgenommen, ist das Wertesystem einer Marke in seiner Ganzheitlichkeit wahrnehmbar. Die Konzeption einer multisensorischen Erlebniswelt stellt somit ein effektives Instrument zur zielführenden Emotionalisierung der Zielgruppe dar.
Räume als dreidimensionale Brand Experiences
Wenn Unternehmen ihre Marke in realen Räumen inszenieren, also die direkte Begegnung zwischen Mensch und Marke suchen, werden oftmals keine Kosten und Mühen gescheut, um das in der Kommunikation vermittelte Markenversprechen als dreidimensionales Erlebnis einzulösen. Die typischen Umfelder für Markeninszenierungen lassen sich in zwei Kategorien unterscheiden: temporäre Räume wie Messestände, Roadshows und Events sowie dauerhaft angelegte, stationäre Räume wie Verkaufsorte (POS), Brand-Parks oder auch Unternehmensgebäude. Inwieweit sich die Investition auszahlt, hängt vor allem davon ab, wie nachhaltig es gelingt, das gewünschte Image aufzubauen. Ein außergewöhnlicher Auftritt schafft sicherlich Aufmerksamkeit, maßgeblich ist jedoch die glaubhafte Darstellung eines in sich geschlossenen Markenbildes. Um sich sinnvoll vom Wettbewerb zu differenzieren und dabei die Kernwerte der Marke eindrucksvoll zu demonstrieren, ist nicht zwangsläufig ein großes Budget erforderlich. In erster Linie zählen technischer Sachverstand und eine gehörige Portion Kreativität. Kurz gesagt: eine professionelle Konzeption.
Die Kraft der multisensorischen Markeninszenierung
Ein strategisch durchdachtes Raumkonzept vereint die Disziplinen (Innen-)Architektur sowie Corporate und Produktdesign unter der Berücksichtigung der Wahrnehmungspsychologie zu einem komplexen, sinnlich erfahrbaren System. Ihr sorgfältig aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel ermöglicht die Konzeption einer spezifischen Erlebniswelt, die der Marke nicht nur Sichtbarkeit, sondern einen einzigartigen Charakter verleiht. Die Kür bei der räumlichen Inszenierung einer Marke besteht dabei in der multisensorischen Verstärkung von Reizen, denn wir nehmen Marken stets mit fünf Sinnen wahr. Zumeist jedoch werden Markenbotschaften lediglich über ein bis zwei Sinneskanäle kommuniziert, wobei der Fokus deutlich auf dem visuellen Kanal liegt. Gerade dieser ist jedoch, nicht zuletzt aufgrund seiner üblicherweise starken Penetration, weitgehend ausgereizt. Dahingegen bieten die verbleibenden Sinneskanäle ein ausgiebiges Gestaltungs- und somit Wirkungspotenzial. Psychologischen Untersuchungen zufolge wirken multisensorische Reize bis zu zwölf Mal stärker als der Reiz einzelner Sinnesmodalitäten. Wichtig ist dabei die stimmige, simultane Ansprache mehrerer Wahrnehmungskanäle. Der Verstärkungseffekt tritt umso stärker ein, wenn der Empfänger (Kunde, Konsument) die Signale im Zusammenhang dekodieren kann und somit ein widerspruchsfreies Gesamtbild entsteht. Für die Marke im Raum bedeutet das, dass Farbe, Form, Licht, Ton, Material, die Haptik von Oberflächen sowie Gerüche in ihrem integrierten Zusammenspiel das gewünschte Gesamtbild der Marke definieren. Betrachten wir nachfolgend die einzelnen Sinnesmodalitäten im Kontext der Raumgestaltung.
Visuelle Wahrnehmung
Der Sehsinn dient der Wahrnehmung von visuellen Reizen wie Farbe, Helligkeit, Kontrast, Linien, Form, Bewegung und Räumlichkeit. Damit ist er unbestritten der wichtigste Sinneskanal zum Erfassen der Markenbotschaft und notwendige Bedingung zur Wahrnehmung des Corporate Designs, des gesamten visuellen Erscheinungsbildes eines Unternehmens. Ein gutes Corporate Design transportiert nicht nur erfolgreich die Unternehmensidentität, es sorgt auch für Wiedererkennbarkeit und klare Wettbewerbsdifferenzierung. Seine stringente Umsetzung ist daher für die Markeninszenierung obligatorisch. Dabei ist Einfallsreichtum gefragt, möchte man die Zielgruppe überraschen. Der kreative Einsatz von Corporate-Design-Elementen wie Bildsprache, Farben und Hausschrift führt gerade in Kombination mit außergewöhnlicher Innenarchitektur zu beeindruckenden Ergebnissen – ohne Einbußen an die Wiedererkennbarkeit. Ob Messestand oder Bürogestaltung, dieses Prinzip besitzt Gültigkeit für sämtliche Arten von Räumen.
Akustische Wahrnehmung
Der Hörsinn ermöglicht uns die Kommunikation mit unserer Umwelt und dient der Wahrnehmung von Schall, insbesondere von Geräuschen, Tönen und Klängen. Der Einsatz von akustischen Reizen ist sehr differenziert zu betrachten und stark davon abhängig, in welcher Situation oder in welcher Art von Raum sie eingesetzt werden sollen. Am Point of Sale wirkt der Einsatz von Musik sehr anregend. Musik beeinflusst unsere Stimmung und steigert das Einkaufserlebnis. Gerade in Lifestyle-orientierten Fashion-Stores wird daher gezielt Musik eingesetzt, die das Markenimage unterstreicht. Auf einer Messe sieht das anders aus. Die Akustik während einer Messeveranstaltung wird aufgrund des permanenten „Grundrauschens“ oftmals als störend empfunden. Innerhalb des Messestandes gilt es daher, eine harmonische Klangsphäre zu schaffen, die zu dem dargestellten Szenario passt und gleichzeitig Stressentlastung ermöglicht. Generell besteht die gestalterische Aufgabe darin, die Raumakustik optimal auf ihren Bestimmungszweck und die bestehende Kommunikationssituation abzustimmen.
Olfaktorische Wahrnehmung
Geruchswahrnehmungen werden im Gedächtnis stark mit Emotionen assoziiert. Wird eine Marke mit einem angenehmen Dufterlebnis in Verbindung gebracht, bleibt diese Information dauerhaft gespeichert. Ein Beispiel für den Einsatz von Duftmarketing sind die hauseigenen Brand-Stores der Jeansmarke LEVI’S. Gezielt eingesetzte Düfte sollen das Wohlbefinden der Kunden am Point of Sale steigern und die Eigengerüche der angebotenen Textilien neutralisieren. Ein ganz anderes Ziel verfolgen Restaurants mit der Stimulierung des Geruchssinns: Sie wollen den Appetit der Kunden anregen.
Gustatorische Wahrnehmung
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Ansprache des Geschmackssinns vor allem im Lebensmittelbereich von großer Bedeutung ist. Bei der räumlichen Konzeption von Markenwelten außerhalb dieser Branche spielen geschmackliche Reize eher eine Nebenrolle, sollten aber im Rahmen einer ganzheitlichen Entwicklung berücksichtigt werden. So kann das Catering wertvolle Impulse für die Wahrnehmung einer Marke liefern. Es gilt daher sorgfältig zu überlegen, welche Art von Getränken und Snacks Kunden und Mitarbeitern angeboten werden, ebenso in welcher Form diese präsentiert werden.
Haptische Wahrnehmung
Direkt mit der Marke auf Tuchfühlung gehen – dieses Erlebnis ermöglicht die Stimulation der haptischen Wahrnehmung. Sie bezeichnet das aktive Erfühlen von mechanischen Reizen wie Größe, Konturen und Oberflächentexturen. Auch die Wahrnehmung von Temperatur und Schmerz ist Bestandteil dieser Sinnesmodalität. Das Setzen haptischer Reize bietet viel Potenzial für die kreative Raumgestaltung. Von der Auswahl des Mobiliars (Komfort) bis hin zum Einsatz von Touchscreens: Um ein aktives Markenerlebnis zu gewährleisten, sollten möglichst viele Raumelemente zum Anfassen und Ausprobieren einladen. Gerade die sinnliche, taktile Vermittlung von Marken- und Produktvorteilen ist von großer Bedeutung, denn der direkte Kontakt überwindet die Hürde der Zurückhaltung und schafft Kaufanreize. Hier sind kompetente Innenarchitekten und Messebauer als Partner in die Konzeption räumlicher Erlebniswelten mit einzubeziehen.
Wir haben erfahren, wie die bewusste Stimulation von Reizen das Erleben der Marke im Raum qualitativ steigern kann. Grundsätzlich gilt: Je mehr Sinne durch den Markenauftritt angesprochen werden, desto besser. Allerdings ist die Umsetzung einer umfassenden Multisensorik nicht immer realisierbar – und nicht immer sinnvoll. Die gezielte Ansprache der Wahrnehmungskanäle hängt von den räumlichen Gegebenheiten und ihrem kommunikativen Zweck ab. Weitere entscheidende Faktoren sind branchen-, produkt- und dienstleistungsbezogene Eigenschaften der Marke. Bei jedem neuen Raumkonzept sind diese Faktoren individuell zu berücksichtigen. Die erfolgreiche Umsetzung erfordert eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Agentur, Innenarchitekt und Messe- oder Ladenbauer. Nur wenn die Markeninszenierung eine ausgewogene, sorgfältig abgestimmte Komposition von Sinneswahrnehmungen bereitstellt, unterstützt sie die Darstellung der Werte und der Philosophie des Unternehmens. Sowohl nach außen als Image für Zielmärkte als auch nach innen als Identifikationsfläche für alle beschäftigten Mitarbeiter.
Frank Seepe
Managing Director
